Memorabilien by Immermann Karl
Autor:Immermann, Karl
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T00:00:00+00:00
Der Oheim
Ich habe die früheren Abschnitte mit Federn geschrieben, welche kurze Spalten hatten und vorn mehr breit als spitz abgekappt waren, gegenwärtig schnitt ich mir ein halbes Dutzend mit langen Spalten und nachgiebigen Spitzen. Einige darunter haben auch Zähne.
»Wozu diese kleinliche Bemerkung?«
Dazu, Herr Doktor, um Ihnen zu erklären, warum »Mein Oheim« anders geschrieben wird, als der »Avisbrief« und auch anders als die Knabenerinnerungen und die Familie.
»Sie hangen also von Ihrer Feder ab?«
Jawohl, Herr Doktor, sie ist ja mein Handwerkszeug. Der Jäger hängt von seinem Gewehr ab, der Fischer von seiner Angel, der Kaufmann von seinem Gelde, der Schneider von seiner Schere, der Philosoph von seinem System, der Aristokrat von seinem Rittertum, der Offizier vom Exerzierreglement, der Pietist von seinem Herrgott. Es hängt alles in der Welt von seinem Handwerkszeuge ab und die rechte Kunst besteht nur darin, das Handwerkszeug immer in gutem Stande zu erhalten, oder vielmehr in dem Stande, wie er sich für das gerade vorliegende Geschäft schickt.
Manches Handwerkszeug ist einfacher Art, zum Beispiel das des Philosophen, des Aristokraten, des Pietisten. Wird das System, das Rittertum, der Herrgott nur jeden Samstag blank gescheuert, so können damit jene Ouvriers schon wieder eine Woche lang zurechtkommen, der Philosoph kann das Leben in seiner Mausefalle einfangen, der Aristokrat sich blähen und bei Gelegenheit Speichel lecken, der Pietist Engelchen greifen, die Komödie verdammen und mit Gottes Hilfe Rehbraten essen. Beschwerlicher schon hat es der Schneider, er braucht groÃe und kleine Scheren, der Jäger gar ist Büchsen benötigt und leichter Flinten, auch Schrotes von verschiedenen Nummern, am meisten aber ist ein Sittenschilderer mit seinem Handwerkszeuge geschoren. Er muà Schwanenfedern haben, Rabenfedern, Stahlfedern, harte, weiche, stumpfe, spitze Federn, zuweilen auch Federn mit Zähnen, wenn die Sitten danach sind.
»Mein Geist regiert meine Feder.«
Deshalb wächst auch auf Ihren Domänen nur Windhafer.
»Sie scheinen des trockenen Tones satt, und der groÃen VerheiÃungen in der Einleitung müde zu sein.«
Nein, Herr Doktor. Aber der Weltgeist stimmt keinen trockenen Ton an, er schlägt zu gleicher Zeit alle Töne an, von dem Brummbaà der Kanonen bis zum Diskant der Pickelflöten hinauf, er stellt in demselben Salon Schlachtstücke und Farcen aus, er ist der moderne Tragiker, der auch in den ernstesten Katastrophen dem Grazioso seine Mission erteilt.
Ein Mann, der im Begriff ist, de bonne foi an seinen Schreibtisch zu treten, setzt sich weiter gar nichts vor, als die Feder gerade so zu schneiden, daà sie den Ton ungefähr treffen kann, den der Weltgeist bei der und der Passage anschlug. Die in der Dämonologie Erfahrenen wollen aber behaupten, in die Hand führen bei dieser Aktion allerhand Geisterlein, magnetisierten das Messer und von diesem aus den Kiel.
Zuweilen steckt der Weltgeist die Könige in das bunte Kleid. Karl der Zehnte hatte es an, als er bei schönem Abendwetter im Juli 1830 auf den Balkon seines Schlosses trat, sich des sanften Windes erfreute und sprach: der ist gut für meine Flotte von Algier. â Er gemahnt uns, wie Falstaff, da er im Garten des Friedensrichters Schaal war, von Pistol die fröhliche Botschaft empfing und ausrief: »LaÃt uns Pferde
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